Reisebeschreibungen aus Thailand und interessante geschichtliche Beiträge
Das ist eine lange Geschichte. Sie beginnt um 1970, also noch während des Vietnamkrieges. Das „Goldene Dreieck“, die Grenzgebiete von Burma, Thailand und Laos, produzierte zwei Drittel des Weltbedarfs an Rohopium. Größter Produzent war Burma mit 1.000 Tonnen, gefolgt von Thailand mit 185 Tonnen und Laos mit 100 Tonnen. Die Zahlen beruhen auf Schätzungen, denn Opiumhandel war und ist illegal und wird weder von Zoll noch von Finanzämtern erfasst. Die Gewinne sind allerdings riesig.
Alle verdienten daran. Die Aufkäufer, die Schmuggler, korrupte Militärs, sogar die amerikanische CIA hatte die Finger im Geschäft. Letztere schickte Green Berets zu den Bauern, um Opium zu überhöhten Preisen aufzukaufen, alles in der Absicht, Alliierte zu gewinnen im Kampf gegen die Kommunisten.
Am wenigsten hatten die Bauern davon, die den Schlafmohn anbauten. Es sind die verschiedenen Bergvölker, die, wie der Name vermuten lässt, in den Bergen Nordthailands leben. Damals wird ihre Zahl auf etwa 350.000 geschätzt, von denen mindestens die Hälfte vom Opiumanbau lebte.
"Überlebte" ist der bessere Ausdruck, denn der typische Dörfler verdiente an einem Kilogramm Rohopium 40 Dollar, was ihm und seiner Familie ein Jahreseinkommen zwischen 100 und 300 Dollar einbrachte. Ein Dollar entsprach etwa 20 Baht, eine Suppe auf dem Markt war für 5 Baht zu bekommen.
Dreißig Prozent der Einwohner seines Dorfes waren selbst abhängig und konnten ihre Arbeitskraft nicht mehr einbringen. Meist fing es mit Schmerzen irgendwelcher Art an, die, mangels ärztlicher Versorgung, mit Opium bekämpft wurden. Langsam glitt der Mann in die Abhängigkeit, die Frauen ernteten und verkauften das Opium.
Eine mühsame Arbeit. Die noch grünen Samenkapseln des Mohns werden abends mit einem dreischneidigen Messerchen angeritzt und der austretende Saft ganz früh am nächsten Morgen abgekratzt. Unter Sauerstoffeinfluss färbt sich der Milchsaft schwarz. Aus diesem wird dann durch Erhitzen und Kneten das Rohopium hergestellt. Zu großen Klumpen geknetet wird es, sofern es nicht selbst als Rauchopium konsumiert wird, an die Aufkäufer abgegeben, die die Dörfer zur Erntezeit besuchen.
Die Bauern hatten nicht die geringste Ahnung, welch aberwitzige Profite mit ihrem Produkt gemacht wurden, wenn es erst nach Umwandlung in pulverförmiges Heroin zum Konsumenten gelangte.
Die thailändische Regierung stand vor einem Dilemma. Die Bergvölker lebten zwar auf thailändischem Staatsgebiet, waren aber keine Thais. Sie produzierten Opium, was illegal war, hatten aber überhaupt keine Möglichkeit, irgendetwas anderes zu produzieren, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sobald das Opium die Berge verließ, waren ganz viele Leute in den Handel verstrickt. Auch die verbündeten Amerikaner wollten gerne mithelfen, damit sie die Versorgung der „8th Avenue“ in New York unterbinden konnten. Zum Glück erkannten alle beteiligten sehr schnell, dass es nicht damit getan sein konnte, einfach die Opiumfelder abzubrennen oder umzupflügen.
Seine Majestät König Bhumipol hatte 1961 eine Winterresidenz, den „Bhuping Palast“ auf dem Doi Buak Ha errichten lassen. Besuchern eher bekannt als Doi Suthep, dem Hausberg von Chiang Mai. Der Doi Buak Ha liegt aber genau genommen noch ein Stückchen dahinter. Nicht weit hinter diesem Palast, wobei Entfernungen relativ sind bei den schwierigen Straßenverhältnissen in den Bergen, gab es die ersten Mohnfelder, die von dem dort wohnenden Volk der Hmong bewirtschaftet wurden.
Der König, dem die Entwicklung besonders der ländlichen Bevölkerung sehr am Herzen lag, formulierte 1969 die Richtlinien für diese besonders schwierige Landentwicklung folgendermaßen:
„Es sollen für die Bergvölker vermarktungsfähige Ersatzprodukte (cash crops) gesucht werden, die ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt sichern, gleichzeitig sollen durch den Bau von Schulen die Bildungsverhältnisse verbessert werden.“
Beauftragt mit diesem Projekt wurde unter anderem die Fakultät für Landwirtschaft an der Universität von Chiang Mai. Gelder flossen von dem „UN-Thai Crop Replacement and Community Development Project“.
Mit diesen Geldern konnten ausländische Fachkräfte ins Land geholt werden, aber die wesentlichen Aktivitäten kamen von den thailändischen Institutionen. Rückblickend kann man sagen, dass dies auch den Erfolg des Projektes ausmachte. Ganz im Gegensatz zu vielen ausländischen Entwicklungsprojekten, die mit sehr viel Geld etwas aufgebaut haben, dass weder zum Land passte noch von der Bevölkerung wirklich akzeptiert wurde.
Die Mitarbeiter der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Chiang Mai gingen sehr methodisch vor. Da die Wege zum Dorf der Meo und damit auch zu den Feldern in der Regenzeit praktisch nicht mehr zu nutzen waren, mussten zunächst die Straßenverhältnisse verbessert werden. Dann wurden Lehrer und Studenten in den Wald geschickt, um zunächst mögliche Flächen für eine Rodung zu bestimmen. Dort wurden dann Bodenproben für die Untersuchung im Labor entnommen.
Andere Gruppen kümmerten sich um Wasserleitungen, die, den örtlichen Gegebenheiten angepasst, zum Großteil aus Bambus gebaut wurden, nur mit Verbindern aus Kunststoff. Für die landwirtschaftlichen Geräte mussten Behelfstankstellen eingerichtet werden. Unterkünfte für die Mitarbeiter wurden gebaut, damit diese dort über längere Zeit wohnen konnten. Für die Studenten war das ganze Projekt Teil ihrer Ausbildung.
Seine Majestät der König ließ es sich nicht nehmen, alle diese Projekte höchstpersönlich zu inspizieren und sich jedes Detail von den Mitarbeitern erklären zu lassen. Sein weißer Range Rover wurde von ihm selbst gesteuert, und für die Besuche in den Bergen trug er einen einfachen Militär-Arbeitsanzug.
Im Labor wurden die Bodenproben analysiert und ersten Pflanzungen konnten beginnen, zunächst mit lokalen Gemüsesorten. Gemüse findet in Thailand immer einen Markt. Allerdings gab es im „Tiefland“ auch schon genügend Anbieter. Also wurden als nächstes ausländische Varietäten oder in Thailand gänzlich unbekannte Sorten getestet, mit dem Risiko, dass sie zunächst schwer verkäuflich sein könnten. Aber der Tourismus boomte, und die Hotels waren dankbare Abnehmer.
Unter anderem kamen dann auch Erdbeeren auf dem Plan. Erdbeeren waren 1970 praktisch unbekannt in Thailand, hatten nicht einmal einen Namen. Sie heißen bis heute noch Strawberry, mit einem sehr weichen „r“ gesprochen.
Die ersten Erdbeeren fanden reißenden Absatz in den Touristenhotels. Sie brachten den Bauern schon in kleinen Mengen einen guten Gewinn, ließen sich gut transportieren und standen nicht in Konkurrenz zu lokalen Erzeugnissen. Waren zuerst tatsächlich nur die Hotels Abnehmer der Erdbeeren, fanden im Laufe der Jahre auch die Thais mehr und mehr Geschmack daran. Es handelt sich allerdings um andere Sorten als bei uns. Thai-Erdbeeren sind etwas größer und dabei säuerlich im Geschmack, sie werden, wie viele Früchte in Thailand, meistens mit Salz genossen.
Hier ist eine Dokumentation des Royal Project Baan Khun Chang Kien von 1972-1974 auf Super-8 Material. Zu Anfang ist das Sammeln des Milchsaftes durch die Frauen zu sehen, danach folgt ein Besuch in der Hütte eines Opiumrauchers.
Viele Produkte aus dem Crop Replacement Programm von damals waren erfolgreich. Die Erdbeeren gehörten dazu und gehören deshalb heute zum Straßenbild auf den Märkten im Norden!
Text: Werner Röpke
Bilder/Video: Werner Röpke
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